Ausflug nach Schweden

Beitrag veröffentlicht am: 31. Januar 2005

Einleitung

Schon seit längerer Zeit hatte ich die Vermutung, dass ich bis jetzt noch gar nicht in Schweden war. So hatten wir hier bis jetzt lediglich Schnee in Höhe von unglaublichen 0,5 cm - Zentimeter wohlgemerkt! Auch hat mich immer gewundert, warum die Schweden von hier so gut wie nie nach Stockholm fahren, aber lieber nach Kopenhagen. Auch find ich immer die Spikes an den Reifen der Autos ziemlich albern, denn echtes Glatteis hab ich hier noch nicht auf den Straßen gesehen.

Wenn aber Ronneby nicht wirklich Schweden ist, wo ist Schweden dann? Ich hatte die Vermutung, dass ich die Antwort vielleicht etwas weiter nördlich finden kann…

Kiruna - die Metropole des Nordens

Wirft man einen Blick auf meine Karte, dann kann man im oberen Teil die Stadt Kiruna finden. Dort bin ich zusammen mit 2 weiteren Studenten hier aus Ronneby und 8 Studenten aus Kristianstad hingeflogen. Von Ronneby sind es immerhin 1.700 km, das wollten wir uns dann wirklich nicht mit Auto oder Zug antun.

Gleich auf dem Flughafen sah ich dann auch das, was ich bis jetzt in Ronneby nicht wirklich gesehen hatte - Schnee. Der ganze Flughafen, außer der Landebahn, war zugeschneit. Auf unserem Zwischenstopp im Flughafen Stockholm hatte man noch emsig versucht den Massen beizukommen, hier dachte bestimmt niemand daran.

Kiruna ist mit 20.000 Einwohnern die größte Stadt im Norden Schwedens - in Lappland. Die Stadt ist somit noch kleiner als Ronneby. Es ist keine schöne Stadt. Sie wurde aus der Erde gestampft um die Eisenerzmine mit Arbeitern zu versorgen. Das Stadtbild ist geprägt von Zweckbauten, die vor allem wetterfest und nicht schön sein müssen. Wir hatten aber nicht lange Zeit das Stadtbild zu bewundern, denn schon nachmittags um 15:30 Uhr war es finster wie in der tiefsten Nacht. Hier, über dem nördlichen Sonnenwendekreis ist die Sonne nur etwa 1,5 Stunden täglich am Himmel. Der Rest ist Dämmerung. So hat man etwa Licht ab etwa 9:30 Uhr in den Wintermonaten. Anders sieht es natürlich im Sommer aus, da hat man dann Polartag und etwa 18 Stunden täglich Licht.

Für 4 Nächte blieben wir hier im Norden. In unserer Unterkunft genossen wir natürlich erst einmal die Sauna. Hier im Norden hat prinzipiell jedes Haus eine Sauna. Die braucht man auch, um wieder aufzutauen, denn die Temperaturen lagen bei unserer Reise zwischen -7 °C und -18 °C.

Mine und Eishotel

Gleich am Morgen hatten wir uns den Besuch der Eisenerzmine vorgenommen. Es ist angeblich die größte Eisenerzmine (unter Tage) der Welt. Nun kann man von solchen Superlativen natürlich halten was man will, aber beeindruckend war es schon. Vor etwa 100 Jahren fing man an industriell über Tage einen Berg abzutragen, der das Eisenerz enthielt. Irgendwann hatte man aber den Berg weitestgehend abgetragen und musste nun nach unten graben. Heute geht man anders vor. Man gräbt mehrere hundert Meter unter der Erde, so dass der Berg langsam nachrutscht. Das, was man da unten weggräbt, schafft man dann nach oben zur Verarbeitung. So ist inzwischen ein nicht ganz unerheblicher Graben in der Landschaft entstanden. Und der Graben wird natürlich mit der Zeit tiefer und vor allem breiter. Das ist schlecht für die Stadt, denn schon in den nächsten Jahren muss z. B. der Bahnhof komplett verlegt werden.

Heute arbeiten etwa 3.500 Menschen in dem Bergwerk bzw. in den dazugehörigen Firmen. Unsere Tour führte uns durch ein Museum und einen Kinosaal etwa 350 m unter Erde. Momentan wird aber schon auf 1.400 m gearbeitet.

Nachdem wir uns in der Mine aufgewärmt hatten, ging es zum Eishotel. Das Ding heißt Eishotel, weil es ein Hotel aus Eis ist. Es liegt etwas außerhalb von Kiruna, mitten im Schnee.

Eingang Eishotels in Nähe von Kiruna

Auf dem Bild sieht man den Haupteingang. Das gesamte Hotel besteht nur aus Eis und Schnee. Das Eis wird im Frühjahr aus einem nahegelegenen Fluss entnommen, über den Sommer in einer Kühlhalle gelagert und dann jedes Jahr aufs Neue zu einem Hotel verarbeitet. Ende November wird das Hotel jedes Jahr eröffnet und es ist meist bewohnbar bis April. Danach schmilzt es weg. Der Vorteil ist, dass man es natürlich jedes Jahr etwas verändern kann und man kann sich auch den Frühjahrsputz sparen.

Jedes Zimmer in dem Hotel wird von Künstlern gestaltet und ist damit individuell. Es gibt die unterschiedlichsten Themen, manchmal ist das Zimmer wie eine Höhle gestaltet oder wie ein kleines Pub mit eigener Bühne. In jedem Zimmer ist natürlich auch ein Bett. Das Bett steht auf Eisblöcken und ist letztendlich nur ein Holzrahmen, um die Matratzen zu halten. Auf den Matratzen liegen Felle. Zum Schlafen bekommen die Gäste vorgewärmte Schlafsäcke.

Ein Bett im Eishotel. Das halbdurchsichtige Zeug um das Bett herum ist kein Glas, sondern Eis!

Man kann eigentlich gar nicht beschreiben, wie die Räume aussahen, alle waren so unterschiedlich und fantasievoll. Das Hotel verfügt natürlich auch über eine Eisbar. Die Gläser in dieser Bar werden ebenfalls aus reinem Eis gepresst. Damit das Getränk nicht einfriert, wird nur Hochprozentiges ausgeschänkt :-)

Weiterhin gibt es ein kleines Theater, welches natürlich auch aus Eis und Schnee gebaut ist. Als weitere Attraktion verfügt das Hotel über eine kleine Kirche, ebenfalls aus Eis und Schnee. In dieser kann man Heiraten, Kinder taufen, Fotos machen und vielleicht auch Beten.

Kirche des Eishotels in Lappland

Nun interessiert den geneigten Leser vielleicht noch der Preis pro Nacht. Es gibt natürlich Zimmer in unterschiedlichen Preislagen. Die teuersten Suiten kosten 600 € für zwei Personen pro Nacht. So wie ich das sehen konnte, nehmen die Besucher aber kaum Gepäck mit in das Hotel, sondern bleiben nur eine Nacht.

Hundeschlitten und Nordlichter

In den folgenden 2 Tagen haben wir einen Ausflug mit Hundeschlitten gemacht. Man kann natürlich nicht einfach ein paar Schlitten und Hunde mieten, sondern braucht dazu einen erfahrenen Führer. Den hatten wir gefunden, dieser Mann war wirklich einmalig. Es war so ein richtiger Überlebenskünstler. Im Winter macht er mit Gruppen Schlittentouren und im Sommer nimmt er seine Kunden mit auf wilde Raftingfahrten. Er hat auch schon einmal in einem Film als Stuntman für eine Raftingszene mitgewirkt, und das alles obwohl er wohl schon jenseits der 60 Jahre ist.

Bevor es mit den Schlitten losgehen konnte, mussten wir natürlich die Hunde erst mal in die Schlitten einspannen. Die ach so niedlichen Tierchen hatten sich die ganze Nacht ausgeruht und waren nun voller Tatendrang. Zunächst galt es die Hunde nur zum Schlitten zu führen, um dann dort mit ihnen auf das Einspannen zu warten. Dumm wenn man den Leithund für ein Schlittengespann erwischt hat, der wollte nämlich dann partout nicht mehr auf die Abfahrt warten und sich schon gar nicht von einem dahergelaufenen Touri, mir, halten lassen. Ich hab ihn aber trotzdem festgehalten, auch wenn es ein harter Kampf war…

Auf jedem Schlitten nahmen 3 Leute Platz, der Fahrer stehend und die anderen sitzend davor. Jeder Schlitten wurde von 5 Hunden gezogen, in der Mitte der Leithund, davor und dahinter jeweils ein Hundepaar. Um den Hunden den Abfahrtswunsch mitzuteilen, musste man nur den Schlitten leicht anschieben und schon ging es los mit durchschnittlich etwa 15 km/h. Die Hunde waren immer bereit zur Abfahrt:

Husky Hunde warten auf Abfahrt bei Schlittentour

Um das Gefährt zum Stillstand zu bringen, musste man die Bremse am Schlitten energisch betätigen und so den Hunden mitteilen, dass jetzt erst mal Pause angesagt ist. Lenken muss man nicht. Die Hunde kennen den Weg.

Unser Führer hatte uns gleich darauf hingewiesen, dass es am Anfang sehr viele Pausen geben wird, da die Hunde jetzt ihr Essen von gestern verdaut hätten… Für diesen Zweck gab es an jedem Schlitten eine Schaufel. Immer wenn ein Hund sein Geschäft erledigt hatte, musste man das Geschäft aus der Spur schieppen, damit man nicht mit dem Schlitten hindurch fährt. Bei 5 Hunden pro Schlitten und 4 Schlitten war das natürlich ziemlich oft der Fall. Wer nun denkt, die Tiere gehen ihrem Geschäft nur während den Pausen nach, der irrt. Wenn es drückte, blieb der Hund mitten in der Fahrt stehen, lies sich noch von den anderen mitziehen, zeigte aber doch ziemlich deutlich, dass es jetzt etwas Dringenderes zu tun gäbe, als Schlitten zu ziehen. Man musste also anhalten.

Unsere Schlittenfahrt führte uns etwa 10 km lang an und auf einem vereisten Fluss entlang. Unterwegs konnten wir sogar aus der Ferne Elche sehen:

Elche rennen über Schnee in Lappland

Nach etwa 2 Stunden Fahrt war dann Schluss und eigentlich waren wir auch in gewisser Weise froh, denn inzwischen waren wir doch ziemlich durchgefroren. Am angenehmsten war es immer noch der Fahrer zu sein, da musste man sich mehr bewegen und konnte sich so etwas warm halten. Die Hunde, kaum erschöpft, schienen schon auf die nächste Fahrt zu warten:

Schlittenhund sitzend im Schnee

Die Nacht verbrachten wir in einem kleinen Lager bestehend aus mehreren kleinen Blockhütten. Eine Blockhütte für Sauna durfte natürlich auch nicht fehlen. Doch zunächst galt es Feuerholz zu hacken und Wasser aus dem nahegelegenen Fluss zu holen. Wer Lust hatte, konnte sich auch in Skilanglauf probieren oder sich bei heiklen Schlittenfahrten den Steiß prellen. Aber eigentlich war man schon mit Feuer machen und Essen genug beschäftigt. Es gab natürlich geräuchertes Rentierfleisch mit Nudeln und abends Rentiersteaks über dem Grill. Nachts ging es dann in die Sauna und dabei natürlich raus in den Schnee. Wir sind ziemlich lange wach geblieben in der Hoffnung, die Polarlichter zu sehen, aber leider war es zu bewölkt.

Die Gegend im Norden hat natürlich auch Vorteile. Man kann bis in die Puppen auspennen und trotzdem noch den Sonnenaufgang sehen. Das folgende Bild habe ich während des Sonnenaufganges kurz nach um 11 Uhr aufgenommen. Man sieht bzw. man sieht nur kaum den zugefrorenen Fluss und die Ebene, durch die wir mit den Schlitten gekommen sind.

Sonnenaufgang Lappland gegen 11 Uhr mit ca. 1,5 Stunden bevor Sonnenuntergang

Wir nutzten unsere Zeit, um noch etwas in der Gegend rumzuwandern. Auch probierten wir uns im Eisfischen. Dazu wurde mit einem riesigen Bohrer ein Loch in das Eis des Flusses gebohrt, auf dem wir standen. Leider haben wir aber keine Fische gefischt. Manch einer probierte sich nochmal vergeblich im Skilanglauf.

Nach dem Mittagessen (Rentierfleisch mit Nudeln) ging es dann aber schon zurück. Zunächst mussten die Hunde wieder eingespannt werden. Es wurde schon dunkel und durch eine kleine Panne verzögerte sich die Abfahrt um etwa 2 Stunden. Das war so gesehen aber nicht weiter tragisch, weil während der Warterei die Nordlichter zum Vorschein kamen.

langgestrecktes Polarlicht bei Kiruna

Da wir Vollmond hatten, konnten wir die Lichter gar nicht so intensiv wahrnehmen. Auf den Fotos sind sie schöner zu erkennen, als wir sie mit bloßem Auge erkennen konnten. Im ersten Moment dachte ich, es ist eine langgestreckte Wolke. Dann kam aber langsam der grünliche Schein zum Vorschein und es gab im Prinzip nur die Erklärung a) Atomunfall oder b) Polarlicht. Es waren Polarlichter.

Die Polarlichter entstehen durch die Sonnenwinde. Diese prallen auf das magnetische Feld der Erde, werden abgelenkt und führen letztendlich zu den Lichtern am Himmel. Wer es genauer wissen will, lese hier… Prinzipiell kann man die Polarlichter auch in Deutschland sehen, so wie Anfang Januar auch tatsächlich geschehen. Die Wahrscheinlichkeit ist aber extrem gering. Hier oben nördlich des Polarkreises liegt die Wahrscheinlichkeit bei 60% bis 70% bei klarem Himmel.

ein weiteres Polarlicht

Man muss sich die Lichter nicht als grelles Licht vorstellen. Man schaut in den schwarzen Himmel und plötzlich fängt etwas an grün oder rot zu schimmern. Dann wird es deutlicher und ist auch bald wieder verschwunden. Es ist ein beeindruckende Erlebnis!

Rückfahrt und Fazit

Irgendwann sind wir dann auch wieder in unserer Unterkunft in Kiruna total durchgefroren angekommen. Und das, obwohl wir auf der Tour alle Spezialanzüge bekommen haben, die wir über unsere restliche Kleidung angezogen haben. Na ja, die Sauna hat uns wieder aufgetaut.

Am nächsten Tag haben wir dann noch am Morgen schnell die berühmte Kirche von Kiruna angeschaut. Sie ist einer lappischen Hütte nachempfunden und wurde als eines der bedeutendsten Baudenkmäler Schwedens ernannt. Das hilft der Kirche allerdings wenig, denn schon in wenigen Jahren muss sie wegen der Mine komplett verschoben werden.

Am Nachmittag ging es dann mit dem Flugzeug zurück. Während es in Kiruna schon wieder Nacht wurde, konnten wir dann auf unserem Flug nach Süden doch nochmal die Sonne über den Wolken erspähen. In Stockholm hatte unser Flugzeug Verspätung wegen heftigen Schneefall.

Ich glaube ich kann jetzt behaupten, wirklich einmal Schweden gesehen zu haben. Ich könnte mir sicher nicht vorstellen, in dieser kalten Eiswüste da im Norden zu studieren, höchstens im Sommer bei Polartag. Ansonsten schlägt das einfach aufs Gemüt. Unser Guide meinte, die Südschweden in meiner Gegend würden gerne zu Dänemark gehören, dürfen sie aber nicht. Schweden sind sie aber auch nicht. Sein Fazit war, sie sind Nichts.

Soweit möchte ich dann doch nicht gehen. Auffällig war auf alle Fälle, das oben im Norden niemand mit Spikes unterwegs war, und das trotz ständig verschneiter und vereister Straßen. Meine Schlussfolgerung ist also, dass die Schweden in meiner Gegend so etwas wie Flachlandtiroler sind ;-)