Karpatenwanderung in Rumänien

Reiseland Rumänien

Inzwischen ist es fast 4 Jahre her, damals August/September 2007, dass ich mit einer kleinen Gruppe für 10 Tage durch Rumänien gereist und durch die Karpaten gewandert bin. Seitdem liegt das Reisetagebuch auf meinem Schreibtisch und die Bilder sind vorsortiert. Doch irgendwie habe ich mich immer darum gedrückt, den Bericht zu schreiben. Glücklicherweise ist das Schreiben des Reiseberichts aber einer meiner “guten Vorsätze für 2011” und da es nun kurz vor Jahresende ist, muss ich zumindest diesen noch schnell einlösen :-)

rumänische Flagge im Wind

Es gibt eigentlich gar keinen Grund, warum ich das so lange vor mir hergeschoben habe, außer allgemeiner Zeitmangel. Es war eine spannende Reise in ein aufstrebendes Reiseland zu einer Zeit, als Rumänien zumindest noch nicht vom deutschen Massentourismus entdeckt war. 2007 war das Jahr, in dem sich die rumänische Stadt Sibiu zusammen mit Luxemburg den Titel der europäischen Kulturhauptstadt teilte. Entsprechend viel Rummel war in Sibiu. Auch flossen vorher reichlich Gelder der EU und die Innenstadt von Sibiu war bereits liebevoll rekonstruiert. Wir haben in Sibiu damals auch an einer Führung durch das deutsche Gymnasium teilgenommen. Über lange Zeit war die deutsche Minderheit nicht besonders gefragt, doch inzwischen wollen auch viele Rumänen ihre Kinder auf diese Schule schicken, da sie sich dann bessere Chancen für ihre Kinder erhoffen.

Unterwegs waren wir in einer Gruppe von 7 Wanderern, teils noch Studenten, teils schon Arbeitsgeschädigte. Ein Teil reiste mit dem Zug über Budapest nach Bukarest an, der andere Teil nahm den schnöden Flieger. Preislich machte das wohl keinen großen Unterschied, aber die Anreise mit dem Zug war sicher spannender und stimmte besser auf die bevorstehende Tour ein.

Als Unterkunft wählten wir nur Hostels und in den Bergen Cabanas. Zu keinem Zeitpunkt hatten wir das Gefühl in irgendeiner Gefahr zu sein. Wie in jedem Land und jeder Großstadt gilt es aber sich trotzdem an grundlegende Vorsichtsmaßnahmen zu halten, etwa nicht nachts allein durch einen dunklen Park zu spazieren. Erfreulich war auch, dass es keine speziellen Touristenpreise gab, sondern wir auch nur die normalen rumänischen Preise in Restaurants, auf Märkten und in Hostels zahlen mussten.

Bukarest

In Bukarest hielten wir uns nicht lange auf. Zur damaligen Zeit war die Innenstadt noch stark sanierungsbedürftig und auch ein richtiges Nachtleben gab es nicht. Am meisten beeindruckt hat mich der ehemalige Palast vom Diktator Ceaușescu. Für diesen Palast, der innen nie ganz fertig gestellt wurde, riss man seinerzeits ein ganzes Stadtviertel ab, um genügend Platz zu schaffen.

Palast von Ceaușescu in Bukarest

Schon in Bukarest fielen uns die vielen herrenlosen Hunde auf. Diese konnte man im ganzen Land finden, außer in höheren Bergregionen. Unter den Viechern waren ein paar armselige Gestalten mit fehlenden Gliedmaßen oder andersweitig verletzt. Bleibt zu hoffen, dass sich hier inzwischen was getan hat.

Wie bei so vielen Ländern dieser Region gibt es auch in Rumänien ein von vielen Religionen geprägtes Straßenbild. So findet man viele russisch orthodoxe Kirchen, was zumindest für den mitteldeutschen Reisenden etwas ungewöhnlich ist.

russisch orthodoxe Kirche in Bukarest

Brasov und Dracula

Wir hielten uns nicht lange in Bukarest auf und fuhren mit der Eisenbahn gleich Richtung Berge. Erste Station war Brasov. Auch dieser Ort war schon damals sehr nett hergerichtet und man spürte bereits, wie sich der Ort auf den kommenden Tourismus einstellte. Trotzdem hatten wir noch ein preiswertes Hostel ausmachen können. Wir blieben zwei Nächte und besichtigten von Brasov aus das furchteinflößende Schloss von Dracula :-]

Schloss von Dracula bei Brasov in Rumänien

Ok, auch uns war natürlich klar, dass das zwar ein hübsches verwinkeltes Schloss ist, aber nichts mit dem nie existierenden Dracula zu tun hat. Trotzdem ein netter Tagesausflug!

Cabana Turnuri

Am nächsten Morgen ging es dann mit dem Zug weiter Richtung Sibiu. Wir stiegen nach ca. 1,5 Stunden am Halt Ucea aus. Von diesem Halt mussten wir erst einmal 8km auf einer öden Straße Richtung Berge laufen, denn einen Bus oder Taxis gab es leider nicht. Somit waren wir schon ordentlich platt, als wir die Berge erreicht hatten :-) Da aber auch Ucea selbst wenig einladend aussah, blieb uns nichts weiter, als noch den Aufstieg auf die Cabana Turnuri (1520m) in Angriff zu nehmen (damals hatten die Hütten noch keinen Internetauftritt). Der Aufstieg war auch wegen der Hitze ordentlich anstrengend und wir kamen erst kurz vor Sonnenuntergang bei der Hütte an.

irgendwo in den Karpaten zwischen Brasov und Sibiu

Zur damaligen Zeit waren die Hütten sehr einfach. Es gab keinen Strom und nur fließend kaltes Wasser aus einem Brunnen vor der Hütte. Für die allzumenschlichen Bedürfnisse gab es meist ein Plumsklo. Auch das Essen war einfach und beschränkte sich auf eine Mahlzeit. Aber keine Auswahl zu haben, macht das Leben manchmal auch einfacher ;-)

spielende Esel bei der Podragu Cabana

Lebensmittel wurden mit Eseln zu den Hütten transportiert. Manchmal überholten uns solche Transporte auf unseren Wanderungen (sehr motivierend). Leider liefen die Esel leer ins Tal zurück und so blieben unschöne Müllberge in den Bergen zurück. Das hat mich dann schon ziemlich stark gestört, da es unnötig ist und eine sinnlose Zerstörung der Natur darstellt. Auch hier hoffe ich, dass sich in den letzten Jahren was getan hat und das Müllproblem gelöst wurde.

Müllberg hinter der Podragu Cabana

Obwohl die Cabanapreise nicht sehr hoch waren, gab es doch viele Wanderer, die in der Nähe einer Cabana ihr Zelt aufschlugen und nur zum Essen in die Cabana gingen. Das hatte ich so auch noch nirgends vorher gesehen.

Bergkessel bei der Podragu Cabana

Cabana Podragu

Nach den Anstrengungen der ersten Tour ging es am nächsten Tag in gemütlichen 2 Stunden weiter zur Cabana Podragu (2136m). Diese lag in einem großen Bergkessel. Die Hütte war wesentlich größer als die Cabana Turnuri und entsprechend viele Wanderer waren zu Gast.

Cabana Podragu in Karpaten, Rumänien

Ganz in der Nähe gab es auch einen kleinen See. Die Temperaturen luden aber nicht wirklich zum Baden ein, aber für die Füße sehr erfrischend und belebend!

See in der Nähe der Podragu Cabana

Moldoveanu

Am nächsten Tag machten wir lediglich einen Tagesausflug auf den höchsten Berg Rumäniens - den Moldoveanu (2543m). Wenn ich mich recht erinnere, war es regnerisches Wetter, weshalb wir den Abmarsch mehrmals verschoben. Der Weg führte über verschiedene Bergkämme in stetigem Auf und Ab. Für eine Strecke brauchten wir ca. 3,5 Stunden. Wir erlebten immer wieder beeindruckende Wetterschauspiele, wenn die Wolken sich über einen Kamm hinauf kämpften oder von unsichtbaren Kräften zurückgekämpft wurden und der blaue Himmel zum Vorschein kam.

Wolken an einem Bergkamm in Karpaten

Der Moldoveanu selbst ist wenig spektakulär. Kurz vor Erreichen gibt es noch einen steilen Aufstieg, aber auch hier benötigt man wie auf allen von uns gegangenen Wegen keine Spezialausrüstung. Gute Wanderschuhe und Wetterkleidung sind völlig ausreichend, solange man schwindelfrei ist.

Gipfel des Moldoveanu

Neben den Eselkarawanen trafen wir immer wieder auf riesige Schafherden, die selbst die steilsten Berge von ihrem Gras befreiten. Diese Herden wurden von Hirten mit Hunden begleitet. Irgendwie immer wieder ein überraschendes Bild für den globalisierten Reisenden aus einer Maschinenbauexportnation.

Schafherde in den Karpaten

Bâlea Lac

Nach diesem Ausflug zum Moldoveanu begann am nächsten Tag leider schon der Rückweg. In der technisch anspruchvollsten Tour ging es zum Bâlea Lac. Unterwegs gab es einige kleinere Klettersteige, bei denen man wegen des starken Winds, der sich hervorragend an den dicken Rucksäcken verfing, besonders aufpassen musste. Nach ca. 4 Stunden konnten wir bereits unser Ziel von oben sehen und machten erst mal eine ordentliche Mittagspause. Danach standen dann doch nochmal 2,5 Stunden Abstieg bis in den Ort an. Damit hatte zumindest ich nicht gerechnet und mir taten hinterher ordentlich die Knie vom Abstieg weh.

schlafende Schäferhunde

Bâlea Lac (ca. 2.000m) selbst ist ein kleiner Ort mit einigen Unterkünften und einem Tunnel auf die andere Seite der Karpaten. Es gibt auch eine Seilbahn zurück ins Tal, die leider nicht in Betrieb war :-/ Die Pensionen und Hotels waren uns zu teuer und deshalb suchten wir erst mal etwas ziellos im Ort rum, was auch am aufkommenden Starknebel gelegen haben könnte. Nach einigem Suchen stießen wir auf die gerade neu errichtete Station der Bergwacht. Dort konnten wir für cabanaübliche Preise übernachten. Es gab sogar eine Dusche und ein Klo. Das war natürlich eine freudige Überraschung nachdem die Wandertage zuvor doch etwas verschwitzt waren. Auf dem kleinen Markt (nicht zu viel erwarten!) in Bâlea Lac hatten wir noch ein paar Speisen und etwas Likör aus Fantaflaschen (was das wohl war?) erstanden. Dies ließen wir uns dann in der Station zusammen mit dem Bergwächter gut schmecken.

Am nächsten Morgen blieb uns dann nichts anderes übrig, als zu Fuß die Passstraße hinab ins Tal zu wandern. Erst nach mehreren Stunden gelang es uns grüppchenweise Mitfahrgelegenheiten ins Tal zu ertrampen. Eine Gruppe musste dann doch einen kleinen Obolus für die Fahrt zur Eisenbahnstation zahlen (etwas unerfreuliches Erlebnis), aber so kamen wir alle rechtzeitig an, um mehrere Stunden auf den Bummelzug nach Sibiu warten zu dürfen :-)

Pferdekarren in rumänischem Dorf

Sibiu

Nachdem sich der Bummelzug nach Sibiu gebummelt hatte, mussten wir dort noch eine Unterkunft suchen. Am Bahnhof fing uns ein junger Mann mit dem Versprechen einer Unterkunft ab und wir folgten ihm zu seiner Wohnung. Bei den noch anwesenden anderen Gästen erkundigten wir uns, ob das eine windige Sache wäre, aber sie konnten uns beruhigen. Der junge Mann hatte die Wohnung nach eigener Aussage erst vor kurzer Zeit von seinem Großvater geerbt und war nun dabei, diese zu einem Hostel umzubauen. Ob das nun stimmte, wissen wir nicht, klang aber zumindest erst mal plausibel, da es noch eine Menge sehr schöner alter Möbel gab. Geschlafen haben wir auf Feldbetten und uns mit allen anderen Gästen das eine Bad geteilt. Eine aktuelle Homepage des “Hostels” konnte ich aber nicht finden.

Hinterhof in Sibiu

Dank unseres Gastgebers konnten wir ungestört vom europäischen Kulturhauptstadtgewimmel die Stadt erkunden und Kneipen und Gaststätten mit rumänischen Speisen und Preisen finden (Hauptgericht mit Getränken und Vodka für damals ca. 7-8€).

Wir blieben noch zwei Tage in Sibiu, bevor es mit dem Zug zurück nach Bukarest ging. Von Sibiu aus haben wir mit dem Zug noch einen Ausflug zu den ach so berühmten Salzseen gemacht. Dieser “Kurort” war aber sehr heruntergekommen und auch die Salzseen waren meiner Meinung nach eher Schlammlöcher. Aber ok, wenns hilft, ist das natürlich genehmigt ;-)

Lastwagen in rumänischem Dorf

Insgesamt war es eine sehr abwechslungsreiche Reise. Die Wanderungen waren nicht zu schwer und das Vor- und Nachprogramm nach der mehrtägigen Wanderung bot ein gutes Kontrastprogramm. Auch wenn damals Rumänien sicher noch nicht für jeden Tourist gut geeignet war, dürfte das heute auch Dank EU Mitgliedschaft schon ganz anders aussehen. Von Freunden, die dieses Jahr eine Fahrradtour durch Rumänien gemacht haben, habe ich auch nur Positives gehört, außer natürlich, dass eine Radtour durch ein bergiges Land nicht wirklich entspannend ist :-) Von daher gibt es eigentlich keine Ausrede mehr, nicht mal in Rumänien vorbei zu schauen!