Studium in Schweden - Teil 3

Beitrag veröffentlicht am: 23. Februar 2005

Schnee

Ich hatte da ja eigentlich schon gar nicht mehr richtig dran geglaubt, aber es gibt doch Schnee hier in Südschweden. Seit den letzten beiden Wochen schneit es eigentlich fast jeden Tag. Da wir aber an der Küste sind und es verhältnismäßig warm ist, taut auch sehr viel Schnee gleich wieder weg und wir sind somit noch nicht im Schnee versunken. Auf den Wiesen liegen meist einige Zentimeter Schnee und auf den Straßen überfriert der weg tauende Schnee immer schön.

Momentan haben wir wieder einen kräftigen Sturm, an der deutschen Küste ist wohl auch eine Sturmflut angesagt. Hier in Ronneby merken wir das normalerweise nicht so stark, da wir etwa 5km von der Küste weg sind. In Karlskrona pfeift es dann aber doch ganz schön. Normalerweise fällt bei solch einem Sturm dann schon mal der Strom aus bzw. die Eisenbahn fährt die nächsten Tage unregelmäßig, da erst mal diverse Bäume von den Schienen entfernt werden müssen. Auch in dem kleinen Wäldchen zwischen Hochschule und Studentenwohnheim fallen immer einige Bäume bei solch einem Wetter um.

Trotzdem ist der Winter hier wirklich moderat, vom Wind abgesehen würde ich sagen, das Wetter ist nicht viel anders als z.B. in Dresden.

Studium Teil 3

Inzwischen ist schon die 3. Studienperiode in vollem Gange. Diesmal habe ich nur 2 Kurse belegt aus folgenden Gründen. Zum einen hab ich mit diesen beiden Kursen mein Pflichtprogramm dann bereits erfüllt und andererseits benötige ich die Extrazeit, um meine Masterarbeit vorzubereiten. Wenn ich dann Anfang April nach Deutschland zurückkomme, muss ich meine 5-monatige Masterarbeit schreiben. Das werde ich in einer Firma erledigen. Die Masterarbeit ist vergleichbar mit einer Diplomarbeit. Der einzige Unterschied ist, dass die Masterarbeit wissenschaftlich orientiert ist und nicht praktisch. D.h. wir müssen etwas Neues entdecken bzw. beitragen. Das hört sich natürlich im ersten Moment unmöglich an, ist aber in der Praxis weniger wild. Neu kann z.B. auch bedeuten, dass man eine vorhandene Theorie in der Praxis mit einer Fallstudie überprüft. Prinzipiell stehen uns die 3 Forschungsmethoden kontrolliertes Experiment, Umfrage/Fallstudie und Entwicklung eines mathematischen Modells zur Verfügung, wobei natürlich letzteres für mich nicht in Frage kommt. Aber ich will jetzt nicht vorgreifen, zur Masterarbeit werde ich dann zu einem späteren Zeitpunkt nochmal etwas genauer schreiben…

Welche Kurse hab ich also nun momentan belegt? Zunächst ist da der ziemlich langweilige Kurs “Software Verifikation/Validierung”. In diesem werden verschiedene Methoden wie Software Inspektion, Test, formale Methoden usw. behandelt, mit der man die Qualität einer Software beurteilen und möglichst auch verbessern kann. Der ganze Stoff ist allerdings ziemlich trocken und ich bin deshalb nicht so sehr begeistert davon.

Weiterhin besuche ich den Kurs “Wissensmanagement” und der ist dann schon wesentlich interessanter. Zunächst haben wir die philosophischen Grundlagen der Begriffe Daten, Information und Wissen durchdiskutiert. Momentan behandeln wir verschiedene Theorien, wie Wissen entstehen kann und wie man Wissen möglichst von einer Person auf eine andere übertragen kann. In den nächsten Wochen werden wir dann noch schauen, wie man den ganzen Spaß praktisch umsetzen kann. Insgesamt gesehen finde ich das Fach sehr interessant. Bezeichnend ist, dass in den Vorlesungen meist keine Antworten gegeben werden, sondern die Lehrer immer nur Fragen stellen, die uns sozusagen zum Denken anregen sollen. Das ist eine sehr interessante Methode, da man dann ständig seine eigenen Ideen und Gedanken hinterfragen muss.

Ich hatte in den Berichten zum Studium in Schweden ja schon einiges über Noten und Lehrkräfte geschrieben. Heute möchte ich etwas über das schwedische Management einer Hochschule schreiben. Ich empfinde die ganze Verwaltung des Studiums als sehr professionell und flexibel. Die Hochschule ist wie in Deutschland in mehrere Fachbereiche unterteilt und jedes Studienfach hat einen Studiengangverantwortlichen. Dieser stellt ein Angebot von möglichen Fächern zusammen und legt natürlich auch fest, wie viel Fächer von welchem Fachgebiet man absolvieren muss, um sich am Ende Software Ingenieur nennen zu dürfen.

Zunächst einmal werden alle Kurse am Ende evaluiert. Das ist so ähnlich wie in Deutschland, allerdings hab ich das Gefühl, dass hier noch stärker die Kritiken umgesetzt werden. So werden die wenigsten Kurse jedes Jahr auf die gleiche Art und Weise wiederholt. Meist wird doch die Zusammenstellung der Belege variiert. Das hängt auch damit zusammen, dass ein Kurs meist nur über relativ kurze Zeit von ein und der selben Person gegeben wird. Jede neue Person versucht natürlich ihre Ideen einzubringen, was zu einer ständigen Veränderung der Kurse führt.

Weiterhin werden Diplomarbeiten geschrieben, die das aktuelle Kursprogramm hinsichtlich der Anforderungen aus der Industrie analysieren. So wurde in der letzten Analyse festgestellt, dass ein Kurs zum kontrollierten Verwalten von Änderungen (Change Management) fehlt. Dieser Kurs wurde dann kurzerhand für diesen Sommer eingeführt.

Prinzipiell ist jeder Lehrer für seinen Kurs selbst verantwortlich. D.h. er muss z.B. den Stundenplan selbständig zusammenstellen. Es gibt keine zentrale Stundenplanerstellung. Dafür existiert ein Softwarewerkzeug, womit die Lehrer passende Zeiten für die Räume buchen können.

Weiterhin existiert für jeden Kurs eine Kurshomepage im Netz. Auf dieser findet man den Stundenplan, den man direkt in seinen persönlichen Terminplaner übernehmen kann, sowie Mailingliste und diverse Dateien wie Belegbeschreibungen und Folien von den Vorlesungen. Hier mal die Homepage von einem meiner ersten Kurse, den ich belegt habe. Über diese Homepage und die zugehörige Mailingliste wird jeder Kurs verwaltet. Es werden z.B. Änderungen im Stundenplan auf diese Weise angekündigt und manchmal werden auch noch zusätzliche Informationen online gestellt.

Wie bereits einmal erwähnt, gibt es in meinem Fachbereich eine Forschungsgruppe, die auf dem Feld Software Engineering agiert. Der Leiter der Forschungsgruppe wurde in den Kreis der 10 wichtigsten Wissenschaftler weltweit auf dem Gebiet gewählt - das hat schon was zu heißen. Die Mitglieder dieser Forschungsgruppe veröffentlichen eigentlich ständig in den verschiedensten wissenschaftlichen Journalen. Als Versuchskaninchen müssen oft wir herhalten. Es werden z.B. kontrollierte Experimente gemacht, wie wir ein Anforderungsdokument für eine Software verstehen. Viele Masterarbeiten führen ebenfalls statistische Erhebungen durch, die dann wiederum in der Forschungsgruppe als Ausgangspunkt verwendet werden. Unser Studiengangverantwortlicher veröffentlicht ebenfalls in Hinblick wie der Lernprozess am Besten zu gestalten ist und er hat für seine Arbeit ebenfalls einen Preis erhalten. All diese Forschungsaktivitäten haben natürlich Einfluss auf unser Studium hier. Für mich ist faszinierend, wie solch ein kleiner Fachbereich innerhalb kürzester Zeit (10 Jahre) solch internationale Bedeutung erhalten kann. Das hat primär nichts mit Geld zu tun, sondern eher wie solch ein Fachbereich geführt wird. Ich vermute die Debatten in Deutschland um Eliteuniversitäten werden oftmals zu sehr auf das Thema Finanzierung beschränkt und zu wenig welche Strukturänderungen notwendig sind, um flexible Forschung zu ermöglichen.

Eine Sache, die sicher sehr viel Geld kostet, ist der Zugang zu allen wichtigen wissenschaftlichen Datenbanken. Über unsere Bibliothek haben wir Zugriff auf mehrere tausend Onlinejournale aus den Gebieten, die in der Universität gelehrt werden. Weiterhin steht eine elektronische Datenbank mit ca. 30.000 vollständigen Büchern zur Verfügung. Auf der anderen Seite gibt es relativ wenig Bücher als reale Exemplare in der Bücherei. Es wird davon ausgegangen, dass Bücher prinzipiell zu schnell veralten und man sich lieber auf die entsprechenden aktuellen Artikel beziehen muss. Das ist allerdings manchmal doch etwas zeitaufwendig, wenn man suchen muss, wer denn nun als erstes z.B. etwas über das Wasserfallmodell gesagt hat und in welchem Jahr und in welchem Journal und… Die Bibliothek versteht sich als ein Service. Man kann z.B. ein Treffen mit einem Mitarbeiter buchen, wenn man eine komplexe Recherche unternehmen will. Auch gibt es Einführungskurse in die Benutzung der verschiedenen Datenbanken. Das Ausleihen von Büchern erledigt der Student in Eigenregie, dafür stehen entsprechende Terminals zur Verfügung. Dies ist vielleicht auch ein Grund, warum so wenig Papierexemplare existieren :-) Weiterhin archiviert die Bibliothek alle Bachelor- und Masterarbeiten. Dies wird nicht von jedem Fachbereich selbst gemacht.

Die Rechnerlabore stehen 24 Stunden an 7 Tagen in der Woche zur Verfügung, nachts natürlich nicht alle Labore. Für das Drucken muss man für jede Seite zahlen, man hat allerdings am Anfang einen kleinen Startbetrag. Prinzipiell halte ich das für eine vernünftige Sache, denn man verkneift sich dann eine Präsentation mit 300 Folien auszudrucken.

In der Universität gibt es so genannte Studienräume. Diese werden von Studenten genutzt, um z.B. Gruppenarbeiten zu erledigen. In der ganzen Universität gibt es ein Funknetz (WLAN) für den Internetzugang und man kann mit einem entsprechend ausgestatteten Laptop überall online gehen. In den Studienräumen sind aber auch entsprechende Steckerbuchsen für den kabelgebundenen Zugang vorhanden.

Nun muss ich noch etwas zum Gebäude sagen. Die Büros der Lehrkräfte und Forscher sind so angeordnet, dass sie sich häufig treffen müssen. So gibt es nur einen einzigen Raum mit Kaffeemaschine und kleiner Küche, sowie Sofa und vielen Tischen. Der Sinn ist, dass informelle Kommunikation ständig erzeugt werden soll, da man davon ausgeht, dass so die meisten Probleme gelöst werden können. Die Büros hingegen sind extrem klein. Ich vermute die meisten deutschen Angestellten würden sich weigern in solch kleinen Büros zu arbeiten. Im angrenzenden Technologiezentrum wurde ein ähnliches Konzept umgesetzt. Dort sind z.B. die Gänge und Treppenaufgänge ebenfalls so eng, dass man nicht einfach aneinander vorbeigehen kann, sondern immer eine kleine Konversation anfangen muss. Auch ist es den Firmen im Technologiezentrum nicht gestattet, eigene Kaffeemaschinen zu haben. Für all die verschiedenen Mitarbeiter gibt es wiederum zentrale Räumlichkeiten, damit sie sich häufig treffen müssen.

Zusammenfassend könnte man sagen, das Studium und die Universität sind hier sehr modern. Es werden alle heute üblichen Kommunikationsmittel und Medien eingesetzt. Weiterhin wird ständig versucht die Kurse und die Lehrpläne zu verbessern. Die eigene Arbeit als Lehrer wird wissenschaftlich reflektiert, um so vielleicht neue oder veränderte Lehransätze zu finden. Es findet somit eine ständige Prozessverbesserung statt, etwas was hier als essentiell wichtig für die Wirtschaft gelehrt wird :-)